Porträtfotografie in der goldenen Stunde: Planung, Ausrüstung, Posen und Bearbeitung
Goldene Stunde — ungefähr die erste Stunde nach Sonnenaufgang und die letzte Stunde vor Sonnenuntergang — liefert Porträts mit weichem, richtungsweisendem Licht und warmer Farbe, die die Haut schmeichelt und Tiefe erzeugt. Das Zeitfenster ist jedoch kurz und das Licht ändert sich schnell. Dieses Tutorial erklärt, wie du planst, was du einpackst, wie du posierst und anleitest und wie du bearbeitest, damit deine Goldene-Stunde-Porträts absichtlich, leuchtend und natürlich wirken.
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Plane das Licht, nicht nur den Ort
Erfolg in der goldenen Stunde beginnt lange bevor du die Kamera hebst. Weiß, wo die Sonne stehen wird, wie dein Hintergrund aussieht und wie du reagierst, wenn das Licht sinkt.
Wann ist hier die goldene Stunde?
- Nutze eine Sonnen-Tracking-App (z. B. PhotoPills, Sun Seeker), um Sonnenaufgang/-untergang und den Sonnenverlauf zu sehen. Notiere die „bürgerlichen“ Zeiten und den genauen Azimut.
- Sei 45–60 Minuten vor Beginn der goldenen Stunde vor Ort, um zu parken, Mikro-Standorte zu erkunden, dein Model einzuweisen und ein paar Testaufnahmen zu machen.
Wähle Hintergrund und Ausrichtung
- Suche nach offenem Schatten oder Schattenkanten, langen Sichtlinien und Hintergründen 10–30 Meter hinter dem Motiv für cremiges Bokeh.
- Vermeide Unordnung und stark kontrastierende Elemente (helle Himmelspartien, reflektierende Autos) hinter dem Kopf.
- Richte dein Set so aus, dass die Sonne entweder:
- Rücken-/Kantenlicht (Sonne hinter dem Motiv, etwa 30–60° außermittig) für kantenbeleuchtetes Haar und einen leuchtenden Hintergrund.
- Seitenlicht (Sonne 45° zur Seite) für dezente Modellierung und Wangenknochen-Definition.
- Halte eine „negative fill“-Option bereit (eine schwarze Flagge oder einfach die schattige Seite), um Form zu bewahren, wenn die Szene zu flach wird.
Wetter und Notfallpläne
- Dünne Wolken wirken wie ein großer Softbox—super für gleichmäßige Hauttöne. Starke Bewölkung nimmt die warme Farbe; dann verlagere den Fokus auf Komposition und Posing und füge bei Bedarf ein Wärme-Gel auf dem Blitz hinzu.
- Wind kann dir helfen; plane die Haarrichtung so, dass es nach hinten weht und nicht durchs Gesicht.
- Wenn der Horizont blockiert ist (Stadt-Canyons, Berge), kann die goldene Stunde kürzer sein—wechsel auf höheres Gelände oder offene Felder.
Erstelle einen Zeitplan
- Erste 10 Minuten: Testbelichtungen, Weißabgleich wählen, Aufwärm-Posen.
- Mittlere 20–30 Minuten: deine Hauptlooks—Rückenlicht mit Reflektor oder entfesseltem Blitz, engere Porträts.
- Letzte 10 Minuten: Silhouetten, weite Umgebungsaufnahmen, Bewegung (Drehungen, Gehen) und Lensflare.
Ausrüstung, die Kontrolle gibt
Mit fast jeder Kamera lassen sich schöne Goldene-Stunde-Porträts machen, aber bestimmte Tools helfen, schneller und konstanter zu arbeiten.
Objektive
- 85–105mm Festbrennweiten: klassisch für Kopf-und-Schulter-Kompression und sanftes Bokeh.
- 70–200mm f/2.8: flexible Bildgestaltung, schmeichelhafte Kompression, schneller Autofokus.
- 35mm oder 50mm: Umweltporträts; achte auf Randverzerrung und halte Motive vom Bildrand weg.
Lichtmodifikatoren und Hilfsmittel
- 5-in-1-Reflektor (weiß/silber), um Schatten unter den Augen im Gegenlicht aufzuhellen. Ein transluzenter Diffusor mildert die Sonne, wenn sie noch hoch steht.
- Schwarze Flagge oder negative Fill (auch ein schwarzer Hoodie), um Form in flachem Licht wiederherzustellen.
- Entfesselter Blitz mit HSS und kleinem Softbox/Schirm; füge ein 1/4 bis 1/2 CTO-Gel hinzu, um die Umgebungstemperatur anzugleichen.
- Leichter Ständer mit Sandsack oder ein Assistent. Eine Reflektor-Klemme spart Zeit.
- Optional: zirkularer Polarisationsfilter (gegen Glanz auf Laub), 3-Blenden-ND, wenn du bei f/1.4 die Schärfentiefe willst, aber die Verschlusszeit limitiert ist.
Kameraeinstellungen, die das wechselnde Licht verfolgen
- Fotografiere RAW. Nutze manuelle Belichtung oder manuell mit Auto-ISO, um Konsistenz zu behalten.
- Typischer Startpunkt in der goldenen Stunde (Gegenlicht): f/2–f/2.8, 1/500–1/2000 s, ISO 100–400.
- Aktiviere Highlight-Warnung/Zebras. Belichte für die Haut; schütze Highlights an Wangen und Stirn.
- Continuous AF mit Gesicht-/Augenerkennung; AF-C für bewegte Motive, AF-S für statische.
Belichtung und Farbe bei schnell wechselndem Licht
Die goldene Stunde wirkt verzeihend, aber Metering und Farbauswahl trennen saubere Dateien von matschigen.
Belichtungsstrategie
- Im Gegenlicht: Messe das Gesicht, nicht den Himmel. Verwende Spot- oder mittenbetontes Messfeld, sperre die Belichtung, oder bewerte mit Histogramm und Zebras.
- Wenn Highlights hinter dem Motiv ausreißen, ist das in Ordnung, solange die Haut erhalten bleibt. Erwäge ein paar Belichtungsreihen als Absicherung, wenn die Sonne am Bildrand entlang streift.
- Füge Fill hinzu: +0,5 bis +1 Blende mit Reflektor oder +0,3 bis +1 EV Blitz-Exposure-Compensation, um Augenhöhlen aufzuhellen und einen leuchtenden Hintergrund zu erhalten.
Weißabgleich und Hauttöne
- Tageslicht-WB (5200–5600 K) ergibt warme, klassische goldene-Stunden-Haut. Bewölkt (6000–6500 K) erhöht Wärme; sparsam einsetzen, um orange Farbstiche zu vermeiden.
- In grünen Umgebungen kann Laub grünes Licht auf die Haut werfen. Füge +5 bis +15 Magenta-Tint in der Kamera hinzu oder beweg das Motiv, um grünes Fill zu reduzieren.
- Bei gemischtem Blitz: Gel den Blitz (1/4–1/2 CTO), damit die Haut nicht gegen einen warmen Hintergrund kühl wirkt.
Fokus, Blende und Bewegung
- Für eine Person: f/1.8–f/2.8 isoliert das Motiv und macht den Hintergrund weich. Bei zwei Personen auf unterschiedlichen Ebenen: f/2.8–f/4.
- Bei längeren Brennweiten (135–200mm) halte die Verschlusszeit bei oder über 1/500 s, um Bewegungsunschärfe durch Motivbewegung zu vermeiden.
- Nutze Gegenlichtblenden zur Kontrolle von flauem Streulicht; entferne die Blende und verändere den Winkel leicht, wenn du sanften Flare als Stilmittel willst.
Posing und Anleitung für leuchtende Haut und schmeichelhafte Form
Die Richtung des Lichts und die Haltung des Motivs bestimmen, wie Haut und Merkmale wiedergegeben werden.
Finde den Winkel zur Sonne
- Beim Gegenlicht: Positioniere die Sonne knapp außerhalb des Rahmens hinter und seitlich vom Motiv, und drehe dann Brust etwa 30° zur offenen Himmelspartie. Das gibt ein weiches Key-Licht vom Himmel und eine Kante vom Sonnenlicht.
- Beim Seitenlicht: Lass sie leicht zur Sonne blicken, aber die Nase in der Wangenlinie behalten, um breite Beleuchtung zu vermeiden.
Kopf, Kinn und Schultern
- Kinn nach vorne und leicht nach unten streckt den Hals und definiert den Kiefer.
- Bitte um ein Mikro-Kippen („Kippe dein rechtes Ohr 1 cm Richtung Schulter“), um Asymmetrie zu erzeugen.
- Schultern vom Kamerawinkel wegdrehen für eine schlankere Linie; wieder eindrehen nur für stärkere, selbstbewusste Looks.
Hände und Haltung
- Hände entspannt, weiche Lücken zwischen den Fingern. Gib eine Aufgabe: das Jackenrevers halten, Haare zurückstreichen, leicht das Schlüsselbein berühren.
- Form mit Gewichtsverlagerung schaffen: „Gewicht auf das hintere Bein; lass das vordere Knie weich werden.“
Augen und Blick
- Für leuchtende Catchlights lass das Model zur hellsten Himmelspartie oder zu deinem Reflektor schauen.
- Gib Intention vor: „Augen zu mir für Verbindung“, „Augen zum Licht für einen verträumten Look“ oder „schau knapp an mir vorbei über meine Schulter“.
Paare und Gruppen
- Staple Gesichter auf ungefähr derselben Fokusebene, um bei weiten Blenden Schärfe zu halten.
- Schaffe Dreiecke: eine Person sitzt, eine steht leicht dahinter und schräg; Hände verschränken für natürliche Verbindung.
Posing-Flow
- Baue von einfach zu dynamisch auf: stehend drei Viertel > sitzend > gehend > Drehung/Wirbel für Haarbewegung.
- Bewege dich alle 30–60 Sekunden, da sich das Licht ändert; kleine Schritte links/rechts können Hintergrund-Unordnung oder Flare eliminieren.
On-Set-Workflow: eine 20-Minuten-Sequenz
- Minute 0–2: Testbelichtung mit Model an Ort und Stelle; WB auf Tageslicht setzen und Tint anpassen, wenn die Umgebung grün ist.
- Minute 2–6: Gegenlicht-Kopfaufnahmen bei f/2 mit weißem Reflektor unter Brusthöhe, um die Augen aufzuhellen. Enge und mittlere Bildausschnitte.
- Minute 6–10: Seitenbeleuchtete drei-Viertel-Porträts; bitte um dezente Kinn-/Schulteranpassungen. Sowohl lächelnde als auch neutrale Looks aufnehmen.
- Minute 10–15: Bewegung—langsames Zugehen zur Kamera bei 1/800 s; kurze Serienaufnahmen. Umgebungselemente einbeziehen (Gräser, Pfad).
- Minute 15–20: Wenn die Sonne sinkt, zu Silhouetten und Weitaufnahmen wechseln. Für den Himmel belichten, das Motiv gegen den hellsten Streifen platzieren und eine Pose mit klarem Profil anweisen.
Bearbeitung für einen natürlichen, goldenen Glanz
Die Nachbearbeitung sollte die Wärme bewahren und dabei glaubwürdige Hauttöne und sauberen Kontrast erhalten.
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Basisanpassungen (Lightroom/Camera Raw)
- Weißabgleich: bei Tageslicht starten; die Temperatur anpassen, bis Weiß neutral-warm wirkt, dann Tint nachjustieren, um Grünen zu entfernen. Typischer Bereich: 5200–6200 K, +5 bis +15 Tint.
- Belichtung: erhöhen, bis die Haut hell ist, aber nicht ausreißt. Ziel: Hauthighlights bei etwa 65–75% im Histogramm.
- Kontrast: dezent; ziehe die Tonkurve für Feinarbeit vor.
- Lichter/Schatten: Lichter zurückholen, um Hotspots zu zähmen; Schatten leicht anheben, aber einen grauen Schleier vermeiden.
- Klarheit/Struktur: auf Gesichtern subtil halten (Struktur -10 bis 0, Klarheit -5 bis +5). Lokale Klarheit in Haaren und Kleidung hinzufügen.
Farbharmonie und Glanz
- HSL: Orange für Haut anpassen (Hue -5 bis +5 zur Balance zwischen Rot/Orange, Luminanz +5 bis +15 für gesunde Helligkeit). Gelb leicht entsättigen, wenn Gras auf die Haut reflektiert.
- Color Grading: Mitteltöne wärmen (Hue ~40°, Sat 5–10), Schatten leicht kühlen (Hue ~220°, Sat 3–8) für Tiefe. Highlights neutral oder marginal warm halten.
- Dehaze: kleine negative Werte (-2 bis -5) können atmosphärischen Glanz hinzufügen; nicht übertreiben oder du verlierst Kontrast.
Haut und lokale Verbesserungen
- Entfernen/Klonen: temporäre Unreinheiten entfernen; Textur erhalten.
- Frequency Separation optional für Fortgeschrittene; einfacher ist oft besser: Lokaler Pinsel mit Struktur -20 und Schärfe -10 auf Wangen/Stirn, Augen/Lippen/Brauen ausmaskieren.
- Dodge & Burn: mit niedrigem Flow-Pinsel Catchlights und Iris leicht aufhellen; Kieferlinie und Haarpartie leicht abdunkeln für subtile Trennung.
Flare und Farbstiche zähmen
- Wenn veiling flare Kontrast ausblutet, verwende einen linearen Verlauf von der Flare-Seite: Belichtung -0,2, Kontrast +10–20, und warm/kühl anpassen, damit es zur Haut passt.
- Grünen Spill neutralisieren: selektive Farbverschiebung von Gelb/Grün Richtung wärmer oder lokal Magenta-Tint auf der beschatteten Gesichtsseite erhöhen.
Feinschliff und Export
- Eine sanfte radiale Vignette hinter dem Motiv hinzufügen, um den Blick zu lenken; unsichtbar halten, nicht offensichtlich.
- Schärfen: Radius 0,8–1,0, Amount 30–60; Maskierung 60–80, damit Hintergründe weich bleiben.
- Export sRGB JPEG mit ca. 3000–4000 px an der langen Kante für Web; Profil einbetten.
Häufige Fehler und wie man sie vermeidet
- Waschbär-Augen durch hohe Sonne: Reflektor niedrig und vor dem Model platzieren oder das Model zur offenen Himmelspartie drehen statt zur Sonne.
- Orange Hauttöne: WB zu warm oder Gelb-Sättigung zu hoch. Bei Tageslicht starten und HSL Orange/Gelb abstimmen.
- Matschige Grüntöne auf der Haut: Laub-Spill; Position ändern, Magenta-Tint hinzufügen oder weißen Reflektor als sauberere Füllung einsetzen.
- Gemischte Farbtemperaturen mit Blitz: Blitz gelieren (1/4–1/2 CTO), sonst wird Haut kühl und Hintergrund bleibt warm.
- Verfehlter Fokus bei weiten Blenden: Eye-AF aktivieren, höhere Verschlusszeiten nutzen und Models anweisen, „einen Moment stillzuhalten“.
- Lensflare-Kleckse übers Gesicht: Linse mit der Hand oder einer Flagge abschatten; ein paar Grad schwenken, bis Artefakte von den Merkmalen wegwandern.
- Über-Retusche: Poren und feine Struktur bewahren; wenn man erkennt, dass retuschiert wurde, ist es zu viel.
Schnelle Checkliste für Goldene-Stunde-Porträts
- Vor dem Shooting: Sonnenverlauf und Timing bestätigen; zwei Backup-Spots scouten.
- Einpacken: 85/105 oder 70–200 Objektiv, Reflektor/Diffusor, kleiner Blitz mit CTO-Gel, Ständer/Klemme, Gegenlichtblende.
- Kamera: RAW, Tageslicht-WB, Highlight-Warnungen an, Eye-AF aktiviert.
- Am Set: zur offenen Himmelspartie ausrichten; Reflektor für Fill nutzen; Hauthighlights schützen.
- Posing: Kinn vor/leicht runter, Mikro-Kipps, entspannte Hände, Bewegung im letzten Licht.
- Nachbearbeitung: ausgewogener WB, sanfter Kontrast via Kurve, HSL für Haut, subtile Dodge/Burn, sauberes Exportieren.
Führe diesen Plan aus und du lieferst konsistent warme, dimensionale Porträts, die mühelos wirken — trotz des flüchtigen Lichts.
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