Grundlagen der Musiktheorie für Songwriter: Tonleitern, Akkordfolgen, Harmonie
Egal, ob du Pop-Hooks, Indie-Balladen oder filmische Cues schreibst — ein Verständnis von Tonleitern, Akkordfolgen und Harmonie hilft dir, bewusst zu komponieren, feststeckende Stellen zu beheben und mit Mitwirkenden zu kommunizieren. Dieses Tutorial konzentriert sich auf praktische Werkzeuge, die du sofort beim Komponieren einsetzen kannst, ohne dich in abstrakten Begriffen zu verlieren.![]()
Das große Bild: Tonarten, Intervalle und das Gefühl von „Zuhause“
- Eine Tonart gibt deinem Stück eine „Basis“ (Tonika). In C-Dur ist C die Heimat; in A-Moll ist A die Heimat.
- Intervalle sind die Abstände zwischen Tönen gemessen in Halbtönen. Zwei wichtige Intervalle für Songwriter:
- Große/kleine Terz: definiert die Qualität eines Akkords (C–E ist eine große Terz; A–C ist eine kleine Terz).
- Reine Quinte: stabilisierend (C–G). Grundtonbewegung in Quinten lässt Akkordfolgen stark und geschlossen wirken.
- Die meisten Melodien und Akkorde stammen aus einer Tonleiter — einer Auswahl von Tönen für einen bestimmten Klang. Eine Tonleiter wählen ist wie eine Farbpalette wählen.
Tonleitern, die Songwriter tatsächlich nutzen
Dur und Moll (deine Standard-Paletten)
- Dur-Tonleiter Formel (Ganz = W, Halb = H): W-W-H-W-W-W-H. Beispiel: C-Dur = C D E F G A B.
- Natürliche Moll: W-H-W-W-H-W-W. Beispiel: A natürliche Moll = A B C D E F G.
- Harmonische Moll: Erhöhe die 7. Stufe in der natürlichen Moll (G# in A-Moll). Das erzeugt einen starken V-Akkord (E-Dur), der zurück zur i (A-Moll) zieht.
- Melodische Moll (aufwärts): Erhöhe 6. und 7. Stufe aufwärts (F# G# in A), abwärts wieder zur natürlichen Moll. Nützlich für jazzige Farben; für Pop/Rock kannst du die erhöhte 6. oder 7. selektiv verwenden.
Praktischer Tipp: Wenn dein Refrain in Moll flach wirkt, probiere für den Refrain nur die harmonische Moll, um ein großes V (E in A-Moll) und mehr Auftrieb zu ermöglichen.
Pentatonik und modale Farben
- Dur-Pentatonik: 1 2 3 5 6 (C D E G A). Großartig für eingängige Melodien, die die spannungsreichen Stufen 4 und 7 vermeiden.
- Moll-Pentatonik: 1 b3 4 5 b7 (A C D E G). Grundlage zahlloser Rock-, Blues- und Pop-Hooks.
- Modale Farben:
- Dorisch (Moll mit erhöhter 6): A Dorisch = A B C D E F# G. Behält Moll-Charakter, wirkt aber heller. Gut für Strophen, die Bewegung brauchen ohne voll zum Dur zu wechseln.
- Mixolydisch (Dur mit b7): G Mixolydisch = G A B C D E F. Toll für Rock-Progressionen wie I–bVII–IV (G–F–C).
Songwriter-Trick: Wähle eine „Heimat“-Tonleiter und erlaube gelegentlich entliehene Töne zur Farbgebung (siehe Abschnitt „Entlehnte Akkorde und modale Mischung“).
Von Tonleitern zu Akkorden: Baue dein harmonisches Werkzeug
Bildet Dreiklänge, indem du jeden zweiten Ton der Tonleiter übereinanderstapelst.
Diatonische Dreiklänge in Dur (Beispiel: C-Dur)
- I C-Dur (C E G)
- ii D-Moll (D F A)
- iii E-Moll (E G B)
- IV F-Dur (F A C)
- V G-Dur (G B D)
- vi A-Moll (A C E)
- vii° B vermindert (B D F)
Mit Septimen:
- Imaj7, ii7, iii7, IVmaj7, V7, vi7, viiø7 (halbvermindert)
Diatonische Dreiklänge in natürlicher Moll (Beispiel: A-Moll)
- i A-Moll, ii° B vermindert, III C-Dur, iv D-Moll, v E-Moll, VI F-Dur, VII G-Dur Die harmonische Moll liefert V (E-Dur) und vii° (G# vermindert), was die Rückkehr zur i verstärkt.
Praktische Anwendungen:
- V7 möchte auf I (oder i) auflösen. Nutze diese Spannung/Auflösung besonders am Ende von Phrasen.
- ii ist der Helfer der Dominante. ii–V–I ist eine universelle Kadenz; im Pop hörst du oft ii–V, das in I oder vi fließt.
Funktionale Harmonie: Tonika, Vordominante, Dominante
Denke in drei Funktionen statt nur in Akkordnamen:
- Tonika (Ruhe/Zuhause): I und vi (und manchmal iii). Nutze zum Starten, Landen oder Atemholen.
- Vordominante (bereitet Spannung vor): ii und IV. Bereitet die Dominante vor.
- Dominante (Spannung): V und vii°. Möchte zur Tonika auflösen.
Gängige Kadenzen:
- Authentisch: V → I (starke Auflösung). Mit Septime im V und der Terz in der Melodie noch stärker (V7–I mit Leitton B→C in C-Dur).
- Plagal: IV → I („Amen“-Kadenz). Sanftere Auflösung, toll für Coda oder Gospel-Vibes.
- Trügerisch: V → vi (in Dur). Baut Erwartung auf und weicht dann zu einem verwandten Tonika-Ersatz aus. Gut, um einen Refrain-Landeplatz zu überraschen.
- Halbkadenz: endet auf V. Gut, um eine Strophe enden zu lassen, die in einen Refrain führt.
Richtlinie: Bewege dich funktional in dieser Reihenfolge—Tonika → Vordominante → Dominante → Tonika—um Phrasen und Abschnitte zu formen.![]()
Progressionen, die einfach funktionieren
Probiere diese in C-Dur (transpose in deine Tonart nach Bedarf):
- I–V–vi–IV (C–G–Am–F): Moderne Pop-Basis. Starke Bass-Bewegung und klarer melodischer Raum.
- vi–IV–I–V (Am–F–C–G): Emotionale Strophen-Schleife; endet auf V und verlangt meist Fortsetzung.
- I–vi–IV–V (C–Am–F–G): Klassisches Doo-Wop. Toll für Bridges oder Retro-Vibes.
- ii–V–I (Dm–G–C): Nutze als Turnaround am Phrasenende oder um zur Tonika zurückzusetzen.
- IV–I–V (F–C–G): Country-/Folk-freundlich; probiere ein vi: IV–I–vi–V.
- 12-taktiger Blues in A: A7 | D7 | A7 | A7 | D7 | D7 | A7 | A7 | E7 | D7 | A7 | E7. Dominant-Septakkorde durchgehend für rauen Klang.
Moll-Optionen in A-Moll:
- i–iv–V (Am–Dm–E): Harmonische Moll erzeugt das große V für Zug.
- i–bVII–bVI–bVII (Am–G–F–G): Äolischer Rock. Funktioniert gut mit Moll-Pentatonik-Melodien.
- i–VI–III–VII (Am–F–C–G): Weit und cinematisch für Refrains.
Tipps für Voice-Leading:
- Halte gemeinsame Töne zwischen Akkorden (C ist gemeinsam bei C und Am; F zwischen Dm7 und F).
- Bevorzuge schrittweise Bewegung in Oberstimme und Bass, wo möglich.
- Nutze Septimen auf V und Sexten auf IV, um die Stimmenführung zu glätten (z. B. F6 → G7 → C).
Sekundärdominanten: Spannung hinzufügen ohne Tonartwechsel
Sekundärdominanten tonicisieren vorübergehend einen diatonischen Akkord.
- V/V in C-Dur ist D7 (Dominante von G). Progression: C → D7 → G → C. Man hört das zusätzliche Ziehen in Richtung G, bevor es nach Hause zurückgeht.
- V/ii ist A7, das zu Dm auflöst: C → A7 → Dm → G → C.
- Sparsam in Pop einsetzen; setze sie an Pre-Chorus-Peaks oder Turnarounds ein.
Kurzes Rezept:
- Wähle den Ziel-Diatonakkord (ii, iii, IV, V oder vi).
- Baue einen großen V7 auf dessen Grundton (Ziel = G → D7; Ziel = Dm → A7).
- Löse zum Ziel auf und fahre funktional fort (Ziel → V → I).
Entlehnte Akkorde und modale Mischung
Leihe Töne aus der parallelen Molltonart (in C-Dur: aus C-Moll) zur Farbgebung:
- bVII (Bb) und bVI (Ab): Rock-Klassiker. Probiere C–Bb–F (I–bVII–IV, Mixolydischer Touch).
- iv (Fm) in Dur: melancholische Wendung vor V oder I. Beispiel: C–Fm–G–C.
- ii° (D°) als durchgehende Vordominante: C–D°–Em–F–G–C.
- bIII (Eb) für überraschenden Auftrieb in Richtung IV oder V: C–Eb–F–G.
Best Practice: Setze entlehnte Akkorde zu Abschnittsanfängen oder als Pivot-Linien ein, um eine neue emotionale Farbe zu signalisieren. Halte die Melodie an gemeinsamen Tönen fest, um Konflikte zu vermeiden.
Melodisches Schreiben, das zur Harmonie passt
- Zielpunkt Töne des Akkords (1, 3, 5 und 7) auf starken Zählzeiten. Nicht-Akkordtöne (Durchgangs-, Neben- oder Suspensionstöne) gehören auf schwächere Zählzeiten und lösen sich schrittweise auf.
- Charakteristische Zugrichtungen:
- 4 löst sich zu 3 in Dur (F→E über C).
- 7 löst sich zu 1 (B→C in C).
- 6 löst sich zu 5 in Moll (F→E in A-Moll), außer du verwendest Dorisch.
- Form: Nutze Bogenkonturen (ansteigen, dann fallen) für natürliche Phrasierung; platziere den melodischen Höhepunkt idealerweise nahe dem Refrain oder in Takt 7 einer 8-taktigen Phrase.
- Pentatonik für Sicherheit, diatonisch für Breite, chromatischer Approach für Würze (nähere dich einem Zielton einen Halbton ober- oder unterhalb).
Übung: Schreibe eine Melodie über I–V–vi–IV nur mit Dur-Pentatonik. Harmonisiere dieselbe Melodie dann mit ii–V–I–vi neu und passe nur die Nicht-Akkordtöne an, damit die Zielnoten erhalten bleiben.
Bass, Umkehrungen und harmonischer Rhythmus
- Der Bass steuert das Gefühl. Zeichne am Beginn von Phrasen die Wurzeln klar nach, dann nutze schrittweise Bassbewegungen und Umkehrungen zum Verbinden.
- Umkehrungen (Slash-Akkorde) glätten den Bass:
- C–G/B–Am–F schafft C–B–A–F Bass-Schritte statt Sprünge.
- In Moll: Am–E/G#–Am behält Spannung mit einem führenden Basston.
- Durchgangsakkorde:
- Zwischen C und Dm schieb ein C#° (vermindert, Leittonrolle) ein, um den Bass in Stufen zu führen: C–C#°–Dm.
- Harmonischer Rhythmus:
- Schnellere Wechsel (zwei Akkorde pro Takt) bringen Energie (toll für Pre-Chorus).
- Langsamere Wechsel (ein Akkord pro zwei Takte) schaffen Raum (Strophen, Intros).
- Lass Platz für die Melodie: Wenn deine Melodie rhythmisch dicht ist, verlängere Akkorddauern; wenn die Melodie sustainet, füge einen Durchgangsakkord oder Bassbewegung hinzu, um Interesse zu erhalten.
Erweiterungen und Klangfarben (einfache Verbesserungen)
- Septimen hinzufügen: Imaj7 für Fülle (Cmaj7), ii7 für Glätte (Dm7), V7 für Spannung (G7).
- 9er: Cmaj9 (add D) oder Dm9 (add E) für moderne Wärme. Halte die None aus der Melodie fern, wenn sie stört.
- Sus-Akkorde: Vsus4 (Gsus4), die zu V auflösen, fesseln den Hörer; probiere sie vor Kadenzen.
- Add6: IV6 (F6) → V7 (G7) mildert den Aufbau.
Faustregel: Eine Erweiterung pro Akkord reicht oft im Pop; stapel (9, 11, 13) für räumliche Arrangements.
Zusammensetzen: Arbeitsablauf für Songwriter
- Wähle eine Tonart passend zur Stimmlage. Wenn dein Refrain zu hoch liegt, transpose oder wechsle zu Mixolydisch, um Leitton-Spannung zu senken.
- Wähle eine primäre Palette:
- Dur mit gelegentlicher Mischung (bVII, iv) für modernen Pop/Rock.
- Moll mit großem V (harmonische Moll) für starke Refrains.
- Modal (Dorisch/Mixolydisch) für vibe-orientierte Tracks.
- Skizziere eine Progression nach Funktion:
- Strophe: I (Tonika) → IV oder ii (Vordominante) → V (Dominante) → I oder vi (tonika‑ähnlich).
- Pre-Chorus: steigern mit ii–V-Ketten oder einer Sekundärdominante (V/V).
- Refrain: lande auf I (Dur) oder i (Moll); erwäge entlehntes bVI oder IV für Auftrieb.
- Gestalte Bass und Umkehrungen, um Wurzeln sanft zu verbinden.
- Schreibe Melodie, die Terzen und Septimen der zugrundeliegenden Akkorde an Phrasen-Peaks trifft.
- Füge Farbe hinzu: probiere V7, Imaj7 oder ein entlehntes iv. Wird ein Abschnitt dunkler, nutze bVI; für Helligkeit setze Nonen auf Tonika und Vordominante.
- Verfeinere den harmonischen Rhythmus: erhöhe Akkordtempo zum Refrain; gib dem Refrain mehr „Zuhause“ durch längeres Halten von I.
- Teste in einer anderen Tonart, um sicherzugehen, dass das Lied Transposition übersteht (melodische und harmonische Stärke, nicht nur instrumentenfreundliche Formen).
Häufige Stolperfallen und wie man sie vermeidet
- Akkord-Suppe: Zu viele entlehnte/sekundäre Akkorde verwischen die Tonart. Begrenze das „Würzen“ auf 1–2 Moves pro 8 Takte, es sei denn, der Stil verlangt mehr.
- Statische Abschnitte: Wenn eine Strophe nur einen Akkord wiederholt, variiere Bassnoten (C–C/E–C/G) oder füge ein durchgehendes vermindertes Akkordchen ein, um Spannung aufzubauen.
- Melodie-Akkord-Konflikte: Wenn die Melodie auf der 4 über I sitzt (F über C), behandle es als Suspension, die zu E auflöst, oder wechsele kurz zur IV.
- Übermäßige Parallelbewegung: Wenn alle Stimmen in gleicher Richtung zusammengehen, wirkt die Harmonie blockartig. Führe gegenläufige Bewegung im Bass oder in den Innenstimmen ein.
- Kadenzen ignorieren: Beende Phrasen klar. Sogar ein kurzes V→I am Zeilenende gibt den Lyrics Satzzeichen.
- Modulation ohne Vorbereitung: Nutze eine Sekundärdominante oder einen Pivot-Akkord, der beide Tonarten teilt, um abrupte Sprünge zu vermeiden.
Übungspläne (10–15 Minuten jeweils)
- Transpositions-Labor: Nimm I–V–vi–IV und spiele es in fünf Tonarten durch. Schreibe in jeder einen 1-taktigen Melodiesatz, der die Terzen jedes Akkords trifft.
- Entlehnte-Farb-Drill: In C-Dur schreibe zwei 4-taktige Phrasen — eine mit bVII (Bb) und eine mit iv (Fm). Vergleiche die Stimmungen.
- Sekundärdominante-Mini: Schreibe C → D7 → G → C und improvisiere eine Melodie, die die Terzen jedes Akkords betont (E, F#, B, E).
- Bass-Connector: Verwandle C–Am–F–G in C–G/B–Am–F–G mit schrittweisem Bass. Beachte, wie sich der Groove verdichtet.
- Moll-Lift: In A-Moll schreibe einen Refrain um, der E-Dur (V) verwendet, und teste, ob die Stimme ohne Transposition ansteigt.
Schnelle Referenz: Progressionen zum Inspirieren von Abschnitten
- Strophen-Starter:
- I–vi–IV–V
- vi–IV–I–V
- i–VII–VI–VII (Moll)
- Pre-Chorus-Bausteine:
- IV–ii–V
- ii–V/V–V
- iv–bVI–V (Dur mit Mischung)
- Refrain-Landeplätze:
- I–V–vi–IV
- I–IV–V–I
- i–VI–III–VII (Moll)
- Bridge-Kontraste:
- ii–V–iii–vi (Quintenzirkel-Fragment)
- bVI–bVII–I (entlehnter Auftrieb)
- IV–iv–I (klassischer Mischungs-Turn)
Fazit: Denke in Funktionen, wähle eine klare Palette und setze Spannung/Auflösung bewusst ein. Mit ein paar Tonleitern, einer funktionalen Landkarte und einigen Farbzügen kannst du Progressionen schaffen, die eingängige Melodien unterstützen und emotional kohärente Songs ermöglichen.
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